Omero, jetzt Romeo, im Glück...
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Romeo gibt Gas, der Matsch fliegt, während er sich ca 100 m vor mir der leichten Wegkurve nähert und ich nehme die Pfeife an die Lippen. Da stoppt er, schaut für zwei Sekunden in die Ferne, dreht um und kommt ohne Aufforderung zurück – natürlich auch so schnell er kann und mit einem breitem Grinsen im Gesicht. Es zahlt sich aus, dass ich den Radius so konsequent begrenze – im Wald deutlich stärker als auf freiem Feld, wo 400 Meter schon mal in Ordnung gehen. „Fein, super!!!!“ – ich halte ihm einen Hundekeks hin, den er sich begeistert schnappt und auf mein „Lauf!“ (oder vielleicht auch einfach so, da arbeiten wir noch dran), dreht er um und rennt den Weg schon wieder voraus. Diesmal ist er ja schon deutlich dichter an der Kurve und ich pfeife, bevor der Schlingel mir außer Sicht gerät. Romeo dreht brav ab und kommt wieder zu mir galoppiert.
Das hätte ich nicht gedacht – nur acht Wochen, nachdem wir den schönen Italiener übernommen haben, läuft er sogar im Wald weitgehend frei. Hasen und Fasane werden ignoriert, Rehe sind noch sehr interessant, aber wenn ich den Abstand zu mir nicht zu groß werden lasse, und jedes Abweichen vom Weg durch Rückruf korrigiere, rennt er nicht mehr hinterher.
So schmusig und anhänglich Englische Setter auch sind – ein romantischer Waldspaziergang sieht anders aus. Ohne ständige Aufsicht und Einsatz der Rufkommandos (Pfeife, Vibrationsalarm, Ruf) wäre auch mein alter Sirius ständig weg. Ohne Konsequenz geht draußen nichts. Aber haben Sie mal einen Engländer im vollen Lauf auf dem Feld gesehen? So viel Ästhetik, so eine kraftvolle Eleganz, so ungebremste reine Lauffreude sehen Sie in keiner anderen Rasse! (Sie merken schon, ich bin den bunten Hunden mit dem soften Innenleben schon länger und völlig verfallen.) Die Arbeit und Aufmerksamkeit zahlen sich aus – ihre Passion ist das Rennen und wenn sie Freilauf bekommen, sind sie ohne allzu viel weitere Beschäftigung ausgelastet und zufrieden. Muss ich den Gang mal verkürzen oder die Hunde mehr an der Leine führen, kann ich Suchspiele und Fährten mit ihnen arbeiten, für ein oder zwei Tage ist das mal in Ordnung, aber auf Dauer ist ein Setter kein Leinenhund und nimmt die Nasenarbeit als nur nette Abwechslung an. Er will RENNEN.
Und so gibt Romeo gerade wieder Gas, links den Weg hinab den ich gar nicht nehmen wollte, Sirius einige Meter hinter ihm in schon deutlich schwerfälligerem Galopp, aber aufgedreht von dem tiefen Laub mit der leichten Schneekruste und ….den Rehen, die unten im Senf stehen. Romeo steht jetzt vor (dass echte Engländer eigentlich nur Federwild vorstehen hat ihm sein Vorbesitzer nicht erklärt, und ich bin froh darüber), Sirius sekundiert, ich pfeife und schreie „Fein! Hiiiier!!“ und kurz darauf „Supiii!“ und stopfe Kekse in die Sabbermäuler (Ziehen Sie bloß keine guten Sachen an, Setter im Spaßmodus sind Schlammspringer und tragen Schuhriemen am Maul, die sie mit Begeisterung an Ihnen abwischen.).
Im Hause ist der Schöne ganz anders: Sehr liebesbedürftig (ja, ja, Setter brauchen ein Sofa und hätten auch gerne einen Platz im Bett) und settertypisch eher ruhig (okay, nach den ersten Wochen, in denen er mir nur hinterherlief, aber das war nur die Unsicherheit in der neuen Umgebung). Er grunzt und schnarcht was das Zeug hält und hält uns zwischendurch vermeintliche Einbrecher vom Leib. Dazu benutzt er die Hundeklappe. Ist die mal geschlossen, steht jetzt ein Schaumstoffklotz davor, denn entweder ist Romeo weitsichtig oder dusselig – er rennt ungebremst auch vor die geschlossene Klappe. Aber meistens schläft er, wie sich das für einen guten Jagdhund im Haus gehört. Zu unserer Überraschung spielt er gerne mit Stofftieren. Oder er schläft.
Mit unserem alten Rüden hat er sich gleich sehr gut verstanden, die ersten Tage versuchte Romeo noch, mit Knurren sich strategische Liegeplätze zu sichern, was aber von unserem Sirius geflissentlich ignoriert wurde. Ein kleiner Streit über ein Schweineohr hat es dann entschieden: Der alte ist der Boss. Der zeigt dem Romeo jetzt, wie man richtig am Zaun bellt und wie man die Klorollen von der Halterung abmontiert. Den größten Teil des Tages liegen die Beiden aber einfach kuschelnderweise zusammen auf der Matte, im Körbchen oder auf dem Sofa. Na, ja…. meistens auf dem Sofa. Und schlafen. Wenn sie gerade nicht schlafen, klauen sie einen Karton aus dem Altpapier und dekorieren das Wohnzimmer neu – Sirius ist heilfroh, dass der Neue sein liebstes Hobby teilt: Pappe zerlegen.
Beim Fressen ist Romeo extrem gierig, frißt alles außer Meeresfrüchten (vor denen er sich wirklich schüttelt) und auch sonst ist er versessen auf alles Eßbare oder vermeintlich Eßbare. Na ja okay: Gewolften Fasan schüttelt er sicherheitshalber immer noch vor dem Fressen tot und weigert sich konstant, nachher sauber zu machen. Die settertypische Mäkeligkeit, die einen bei Sirius so zur Verzweiflung treiben kann, zeigt er zum Glück nicht, so ist das Lernen und Loben einfach: Keks! – und er tut alles für uns. Und wir tun (fast) alles für seinen zartschmelzenden Bettelblick.
Wie alle Setter ist der Süße im Haus super sensibel. Er verträgt keine lauten Worte und keinen Streit in der Familie und achtet auf die leisesten Schwingungen. Menschen-verstehen beherrscht er im Schlaf. Draußen muss man schon mal deutlicher werden, wenn man seinem Setterdickkopf etwas mitteilen möchte – aber bitte ohne Unterordnung oder plötzlichen Griff ins Halsband. Davor hat er Angst und wir haben inzwischen eine klare Vorstellung davon, wie viel man von dem Feldspezialisten verlangt hat. Er scheint sehr froh zu sein, dass ich Wildschweine und Füchse für tabu erklärt habe und Apportieren nur mit Stofftieren und zum Spaß verlangt wird. Fährten jedoch findet er klasse und zeigt gerne was er kann – und das ist eine Menge. Und rennen tut er: Ausdauernd, frei und wunderschön. Wenn er nicht gerade schnarcht. Auf dem Sofa.
Man kann ohne Englischen Setter leben – es lohnt sich nur nicht
LG
Tanja
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